Landrat Marco Prietz wählt deutliche Worte: „Der Landkreis Rotenburg (Wümme) ist schockiert vom russischen Überfall auf die Ukraine in der vergangenen Woche. Es ist entsetzlich, dass der flächenmäßig größte Staat der Welt im Jahr 2022 einen Angriffskrieg als legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen ansieht. Unsere Solidarität und unser Mitgefühl gelten dem Volk der Ukraine, das nun unter diesem Krieg schrecklich leidet. Insbesondere denke ich an die Frauen und Kinder, die in diesen Stunden in den Städten der Ukraine zu Opfern der russischen Angriffe werden. Ich begrüße und unterstütze das entschlossene Vorgehen der Bundesregierung und ihrer Verbündeten und Partner. Ziel sollte es sein, die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen, gleichzeitig die humanitären Folgen des Krieges abzumildern und eine weitere Ausdehnung des Konfliktes zu vermeiden.
Für den Landkreis erwarte ich ebenfalls Auswirkungen des Krieges. Aus heutiger Sicht könnten dies sowohl wirtschaftliche Folgen, aber auch politische Konsequenzen (Energieversorgung) und humanitäre Herausforderungen sein. Insbesondere ist in der Europäische Union und damit auch in Deutschland mit vielen Flüchtlingen aus der Ukraine zu rechnen. Hier gilt es, auf allen staatlichen Ebenen die Vorkehrungen zu treffen. Der Landkreis arbeitet dabei sowohl mit dem Land Niedersachsen, aber insbesondere auch mit den Städten und Gemeinden im Landkreis sehr eng zusammen.“
Aktuell ist die Entwicklung dynamisch und es bestehen noch große Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Lage. Der Landkreis gibt im Folgenden auf Basis der bislang bekannten Informationen einen umfangreichen Überblick über die Situation und die Rahmenbedingungen.
Gesamtbild
Zum Umfang des zu erwartenden Flüchtlingszustroms aus der Ukraine nach Deutschland lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine seriösen Aussagen treffen. Bis Montag dieser Woche haben ca. eine halbe Million Kriegsflüchtlinge die Ukraine verlassen und überwiegend in den Nachbarländern Polen, Slowakei und Rumänien Aufnahme gefunden. Wie viele in den kommenden Wochen hinzukommen, hängt auch vom weiteren Kriegsverlauf ab. Schätzungen schwanken zwischen einer Million und sieben Millionen. In Deutschland sind bislang nur vereinzelt Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine eingetroffen. Zuständig für die Erstunterbringung von Flüchtlingen sind grundsätzlich die Erstaufnahmezentren der Bundesländer. Erst wenn diese Einrichtungen überfüllt sind, werden evt. Landkreise um Amtshilfe gebeten, wie es z.B. im Herbst 2015 der Fall war. Auch auf dieses Szenario bereitet sich der Landkreis derzeit vor.
Aufenthaltsrecht
Am Wochenende wurde deutlich, dass der EU-Rat am Donnerstag, den 3.März 2022 für Flüchtlinge aus der Ukraine einen Beschluss nach der so genannten „Massenzustromrichtline“ fassen wird. Danach kann Ausländern in Fällen von derartigen Situationen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt werden.
Das bedeutet konkret: Alle EU-Mitgliedstaaten schaffen das gleiche, unbürokratische Verfahren zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, diese müssen dann kein langwieriges Asylverfahren durchlaufen. Sie können ohne Visum einreisen und erhalten einen vorübergehenden Schutz in der EU für bis zu drei Jahre. Wie viele Kriegsflüchtlinge jeder EU-Staat dabei aufnimmt, liegt im Ermessen der einzelnen Staaten. Sollte es dazu kommen, dass jeder Staat ein Kontingent analog des eigenen Bevölkerungsanteiles in der EU aufnimmt, entfielen auf Deutschland ca. ein Viertel der Flüchtlinge.
Nach der Richtlinie wird den Kriegsflüchtlingen zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von einem Jahr erteilt und erhalten Asylbewerberleistungen. Insgesamt beträgt die Dauer der Schutzgewährung maximal drei Jahre. Die Betroffenen können sich den Wohnort, in dem sie untergebracht werden, nicht frei aussuchen. Wie auch bei anderen Flüchtlingen richtet sich die Verteilung auf die Kommunen innerhalb der Bundesländer nach dem so genannten „Königsteiner Schlüssel“, also im Wesentlichen nach den Einwohnerzahlen.
Aufnahme von Flüchtlingen in privaten Haushalten
Wer Kriegsflüchtlinge in seinem privaten Haushalt aufnimmt, tut dies auf eigene Kosten. Wer Wohnraum für Flüchtlinge aus der Ukraine oder anderen Herkunftsländern zur Anmietung bereitstellen möchte, kann dies bei der jeweiligen Wohnortgemeinde anmelden. Eine Koordinierung von angebotenem Wohnraum durch den Landkreis erfolgt nicht, da die Zuständigkeit für die Unterbringung beim Land bzw. den Städten und Gemeinden liegt.
Freiwillige Hilfe
Zwar besteht im Landkreis durch den Krieg in der Ukraine bislang noch kein zusätzlicher Bedarf an ehrenamtlicher Unterstützung im Bereich der Flüchtlingshilfe. Eine kreisweite Koordinierung von ehrenamtlicher und freiwilliger Hilfe sowie von Sachspenden ist aber vorbereitend in Planung. Die Stabsstelle Kreisentwicklung stimmt sich hierzu derzeit mit Hilfsorganisationen, Kommunen und anderen Institutionen ab. Menschen, die sich freiwillig im Bereich der Flüchtlingshilfe im Landkreis engagieren möchten, können sich an die Koordinierungsstelle Ehrenamt wenden und registrieren sich direkt registrieren unter https://www.freinet-online.de/forum/register_extern.php?assign_to_agid=34&assign_to_group=6 (ehrenamt@lk-row.de). Fortbildungen für die Freiwillige Flüchtlingshilfe werden z.B. am 17. und 18. 03.2022 in Mulmshorn angeboten. Kontakt: migration@lk-row.de
Landrat Prietz: „Ich bedanke mich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die in dieser Situation eine große Hilfsbereitschaft und Solidarität mit den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zeigen. Wir hoffen gemeinsam, dass dieser Krieg, der auch immer mehr zivile Opfer fordert, möglichst rasch enden wird.“