Als „Leichen im Keller“ bezeichnet man eigentlich verborgene oder verschwiegene Missstände. Doch in Scheeßel ist dies wortwörtlich zu nehmen, wie jetzt die Polizei und die Kreisarchäologie herausfanden.
Bauarbeiter entdeckten menschliche Knochen am Scheeßeler Rathaus
Bauarbeiter, die gerade einen Anbau am Scheeßeler Rathaus errichteten, machten bei Fundamentarbeiten eine grausige Entdeckung: menschliche Knochen. Naheliegenderweise benachrichtigten sie die Polizei.
Tatortgruppe der Polizei ermittelte
Beamte der Tatortgruppe begaben sich vor Ort auf Spurensuche. Da im ersten Ergebnis nicht auszuschließen war, dass es sich bei den gefundenen Gebeinen um menschliche Überreste jüngeren Datum handelte, wäre unter normalen Umständen eine langwierige Untersuchung durch die Rechtsmedizin erforderlich gewesen. Nun erinnerten sich die Ermittler aber an die Experten der Kreisarchäologie des Landkreises. Schnell und unkompliziert übernahm das Team die weitere Begutachtung der Knochen.
Fall für Archäologie
Wie sich herausstellte, war der Fund kein cold case der Polizeigeschichte, sondern ein Fall für die Archäologie. Schnell wurde deutlich, dass ein Teil des Scheeßeler Rathauses auf einem Areal errichtet wurde, das im 19. Jahrhundert als regulärer Friedhof diente. Bereits um 1800 war kein freier Platz auf dem alten Scheeßeler Friedhof auf dem Kirchhof zu finden.
Die Totengräber stießen überall auf Schädel und Knochen alter Bestattungen, obwohl man schon vorsorglich mit einer Stange sondierte. Man kann fast von einem glücklichen Zufall sprechen, als 1839 in der Nähe der Kirche die alte Amtsvogtei in Scheeßel abbrannte und somit Flächen frei wurden. Dort wurde nun der neue Friedhof angelegt und 1847 feierlich eingeweiht.
Diese letzte Ruhestätte wurde bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts genutzt. Schließlich wurde 1972 auf einem Teilbereich das heutige Rathaus errichtet. Eigentlich war es daher gar nicht überraschend auf Bestattungen zu stoßen.
Knochen werden wieder beigesetzt
Die Kreisarchäologie hat drei Bestattungen ausgegraben und dokumentiert. Bei einem der Skelette waren die krummen Ober- und Unterschenkelknochen auffällig. Möglicherweise ein Hinweis auf Mangelernährung und schlechte hygienische Wohnverhältnisse. Schnell kommt einen da die Arbeit des Scheeßeler Arztes August Walbaum in Erinnerung, der am Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem die schlechten Lebensverhältnisse seiner Zeit beschrieb. Nach der Auswertung und Bearbeitung der Funde sollen die Knochen wieder ihre Ruhe finden. Die Kirchengemeinde Scheeßel wird sie wieder beisetzen – diesmal aber auf dem aktuellen Friedhof.
Funde zeigen Lebenswirklichkeit
„Es konnte zwar weder ein schreckliches Verbrechen aufgeklärt noch eine archäologische Sensation ergraben werden,“ resümiert Kreisarchäologe Dr. Stefan Hesse, „doch zeigen die Funde ein Teil Lebenswirklichkeit, der vor nicht allzu langer Zeit zum Alltag gehörte.“ Hesse erklärt weiter, „Besonders erfreulich war die gute Zusammenarbeit mit der Polizei und der Kirchengemeinde Scheeßel. Das ist keine Selbstverständlichkeit.“
Außergewöhnlicher Fall
Genau so sieht es Heiner van der Werp, Sprecher der Rotenburger Polizei. “Gleich nach dem außergewöhnlichen Fall berichteten mir meine Kollegen vom hochmotivierten Einsatz des Archäologen-Teams. Damit ist uns im Endeffekt eine Menge an Ermittlungsarbeit erspart geblieben.“