Hierin geht es um die Zulässigkeit eines im Jahre 2010 baurechtlich genehmigten Ferkelaufzuchtstalles und die Frage, welcher Umfang an Geruchsimissionen von der Nachbarschaft hinzunehmen ist. Ob dies indirekt auch zu einer Erleichterung für Wohnbauvorhaben in den Dörfern führen wird, steht noch nicht fest.
Konkrete gesetzliche Regelungen zu diesem Thema fehlen bislang. Gutachter, Planer und Gerichte ziehen deshalb seit vielen Jahren die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zur Beurteilung heran. In der GIRL sind „Orientierungswerte“ für zulässige Immissionen nach Baugebieten gestaffelt festgelegt.
In ganz Niedersachsen und auch im Landkreis Rotenburg (Wümme) existieren viele Ortslagen, in denen die Orientierungswerte der GIRL durch vorhandene Hofstellen mit zum Teil jahrzehntealten Stallanlagen überschritten sind. In der Vergangenheit wurden in diesen Fällen mit so genannten „Verbesserungsgenehmigungen“ dennoch Stallanlagen zugelassen, wenn der Landwirt die Immissionswerte durch Minderungsmaßnahmen an anderer Stelle, zum Beispiel durch hohe Abluftkamine oder den Einbau von Abluftreinigungsanlagen, senken konnte. Bis zum Jahre 2014 gab es hierzu eine einheitliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg.
Der Landkreis Rotenburg (Wümme) hatte dieser Rechtsprechung folgend im Jahre 2010 einem Landwirt eine Baugenehmigung für einen Ferkelaufzuchtstall erteilt. Dagegen hatte eine Anwohnerin geklagt. Das Verwaltungsgericht Stade hatte die Baugenehmigung seinerzeit als rechtmäßig eingestuft und die Nachbarklage zurückgewiesen.
Im anschließenden Berufungsverfahren hatte das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg jedoch der Nachbarklage im Jahre 2015 stattgegeben und damit seine bisherige Rechtsauffassung aufgegeben, obwohl keine Änderung der Gesetzes- oder Rechtslage eingetreten war. Die Lüneburger Richter hatten damals mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die Orientierungswerte der GIRL ausnahmslos einzuhalten seien. Diese restriktive Auslegung sollte demnach auch für landwirtschaftliche Bauvorhaben gelten, die mit Immissionsminderungsmaßnahmen sogar eine Verbesserung der Immissionssituation ermöglichten. Das Urteil hatte landesweit für erhebliche Verunsicherung bei Landwirten, Planungsbüros, Gutachtern und Genehmigungsbehörden gesorgt.
Der von der Aufhebung der Baugenehmigung durch das Oberverwaltungsgericht betroffene Landwirt hatte daraufhin die letzte und höchste verwaltungsgerichtliche Instanz angerufen – das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dessen Urteil vom 27.06.2017 hat jetzt für eine gewisse Klarstellung gesorgt und gleichzeitig die Entscheidung des konkreten Falles an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr für alle verwaltungsgerichtlichen Instanzen in Deutschland klargestellt, dass in Bereichen, die durch Gerüche bereits höher belastetet sind, ein landwirtschaftliches Bauvorhaben dennoch zulässig sein kann, wenn hierdurch die vorhandene Immissionssituation insgesamt verbessert oder aber zumindest nicht verschlechtert wird.
Die Obergrenze an zulässigen Immissionen wird vom Bundesverwaltungsgericht in diesen Fällen bei einer Gesundheitsgefahr der Nachbarschaft gesehen. Wo hier konkret eine Grenze zu ziehen ist und wie die entsprechenden Werte zu ermitteln sind, wird noch zu klären sein. Gleichzeitig hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch den Bauherren in die Pflicht genommen, alle zumutbaren Immissionsminderungsmaßnahmen in seinem Betrieb zu ergreifen.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich unmittelbar nur auf die Genehmigung eines landwirtschaftlichen Vorhabens. Ob dadurch indirekt auch eine Erleichterung für Wohnbauvorhaben in durch Gerüche vorbelasteten Bereichen einhergeht, wird die Diskussion der nächsten Monate zeigen und notfalls durch das Niedersächsische Sozialministerium als oberster Bauaufsicht oder ebenfalls gerichtlich zu klären sein.